2.320 Pfeifen stecken in der Orgel
Hannover. „Wisst ihr, wie man sich in einer Kirche oder in einer Moschee benimmt?“, fragt Isabel Wagemann-Steidel in die Gruppe. Die Lehrerin für Englisch und Religion ist mit ihrer sechsten Klasse aus der IGS Langenhagen zur Elisabethkirche gekommen, um an einer Orgelführung teilzunehmen. Kantor Arne Hallmann bietet diese Führung im Rahmen der Orgelentdeckertage an, die seit 2016 in der hannoverschen Landeskirche die Orgel für jeweils zwei Wochen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken.
„Man ist ruhig und schreit nicht rum“, bekommt Wagemann-Steidel zu hören und nickt. Auch eine muslimische Schülerin kann sie beruhigen: Ob es überhaupt eine Kirche betreten dürfe, hatte das Mädchen gefragt. „Auch Mohammed hat christliche Kirchen besucht“, erzählt die Lehrerin, als ihre Schülerin sie zweifelnd anguckt.
Als die Gruppe auf der Orgelempore angekommen ist und alle einen Platz zum Sitzen gefunden haben, übernimmt Arne Hallmann. Er blickt weit zurück: Die erste Orgel sei wohl vor mehr als 2.000 Jahren in Griechenland gebaut worden, erzählt er; im 14. Jahrhundert wurden Orgeln dann erstmals in Kirchen eingebaut. „Damals musste man immer volle Pulle spielen“, erklärt der Kantor weiter und berichtet von großen Gebläsen, die mit Muskelkraft angetrieben wurden, um Orgeln zum Klingen zu bringen. „Wenn Johann Sebastian Bach am Abend ein Konzert geben wollte, musste er vorher immer drei Leute zum Windmachen anfordern.“
Heute, so der Kantor der Elisabethkirche weiter, könnten bei manchen Orgeln die Einstellungen im Computer abgespeichert und immer wieder abgerufen werden. Und auch wenn die Orgel immer noch Luft brauche, seien doch keine Helferinnen und Helfer mehr für den Blasebalg nötig.
Großen Eindruck bei den Schülerinnen und Schülern macht die Zahl der Pfeifen, die in die Orgel eingebaut sind: Nicht 100, nicht 150 und auch nicht 1.000 sind es, sondern ziemlich genau 2.320 Stück. „Jede macht einen anderen Ton, und wenn der Orgelstimmer kommt, muss er jede einzelne der Pfeifen anfassen – deshalb dauert es ungefähr eine Arbeitswoche lang, um unsere Orgel zu stimmen“, erzählt Hallmann. Er berichtet auch vom Material, aus dem Orgelpfeifen hergestellt werden, von ihrer ganz unterschiedlichen Größe und davon, wie alles zusammenhängt – die Größe, das Material und der Ton.
Rund anderthalb Stunden hören die Schülerinnen und Schüler zu, reichen Orgelpfeifen herum und dürfen selbst an den Spieltisch – und Arne Hallmann freut sich über die Aufmerksamkeit, mit der sie seinen Erklärungen folgen. Anschließend übernimmt wieder Isabel Wagemann-Steidel und zeigt ihren Schülerinnen und Schülern noch Altar, Taufstein und Kanzel. Ihr ist es ein Anliegen, in ihrer multireligiösen Klasse Wissen über die eigene und die Religionen der Mitschülerinnen und ‑schüler zu vermitteln – die Orgelführung gab dafür einen guten Rahmen ab.
Text und Bilder: Andrea Hesse
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Benjamin Simon-Hinkelmann
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