Das 1x1 der Ott-Orgel
Hannover. Wie eine Krone erhebt sich die imposante Ott-Orgel im hinteren Teil der Markuskirche auf der Empore. Die Zwölftklässler*innen der Herschelschule heben staunend den Kopf, als Kreiskantor Martin Dietterle aus dem Kirchenschiff nach oben weißt. „Wer war schon mal hier in der Markuskirche?“, fragt er. Kaum ein Finger hebt sich. „Und wer war schon einmal auf der Orgelempore?“ Jetzt bleiben alle Finger unten.
Ein Grund mehr sich das imposante Musikinstrument aus der Nähe anzusehen, findet Martin Dietterle und die Schüler*innen folgen dem Kantor die steinerne Treppe auf die Orgelempore. Sie sind merklich beeindruckt von dem großen Instrument.
„Jede Orgel gibt es nur einmal. Sie wird eigens für den Raum gebaut, in dem sie steht. Denn jeder Raum hat seine eigene Akustik.“, erklärt der Kantor und klatscht in die Hände. Der Ton hallt lange von den Wänden der Kirche nach. Was das für das Orgelspiel heißt, demonstriert der Kreiskantor sogleich. Er spielt ein bekanntes Weihnachtstück an, zieht viele Register, Füße und Hände tanzen über Tasten und Pedale. Sofort füllt sich der Kirchraum mit Musik, die Empore vibriert, die Schüler*innen staunen.
„Die Orgel hat schon einen relativ coolen Sound. Da fühlt man sich ein bisschen allmächtig. Keine Anlage der Welt kommt da mit.“, scherzt der Kantor. Jetzt hat er die Aufmerksamkeit der anfangs noch schüchternen Schüler*innen. Mit viel Witz und Humor erklärt und zeigt der Kreiskantor das Zusammenspiel von Blasebalg, Pfeifen und Tasten. Und da wird’s mathematisch. Die Ott-Orgel besteht aus fünf Werken, die über vier Manuale und ein Pedal angespielt werden können. Jedes Manual hat 56 Tasten. „Das sind 224 Tasten plus die Pedale.“, flüstert eine Schülerin ihrem Nachbarn zu. Zu den schier unzähligen Tasten kommen die vielen Pfeifen, die man von außen gar nicht sehen kann. Rund 3600 Pfeifen verstecken sich in der Ott-Orgel.
Die Schüler*innen der Herschelschule staunen, als sie mit dem Kantor über eine unscheinbare Tür links neben der Orgel verschwinden. Plötzlich stehen sie zwischen dem Blasebalg und den unzähligen Pfeifen. Während eine kleine Gruppe an Schüler*innen sich hinter und in der Orgel tummelt, sollen andere ein paar Töne spielen. Keiner von ihnen spielt ein Tasteninstrument, aber einige juckt es merklich in den Fingern einmal die Finger über die Tasten des mächtigen Instruments gleiten zu lassen. Hinter der Orgel lernen die Schüler*innen währenddessen, wie der Blasebalg die Pfeifen mit Luft versorgt.
Wer will, kann bis ins oberste Orgelwerk gehen. Einige trauen sich und staunen über den sagenhaften Blick, den man zwischen den Pfeifen in das Kirchenschiff hat. „Das ist so hoch. Wie viel da in der Orgel ist, dass kann man sich nicht vorstellen.“, staunt ein Schüler. Dann wird noch einmal fleißig gerechnet. Der Kantor erklärt, wie die Pfeifen funktionieren und was eigentlich die Beschriftung auf den Registern bedeutet. 8‘ zu Beispiel. Das kleine Häckchen steht für Fuß eine alte Maßeinheit, die heute ca. 30 cm entspricht. Jedes Register wird nach der Länge seiner größten Pfeife und damit seines tiefsten Tons angeben. „Man rechnet als 8x30. Das sind?“ Die Schüler*innen schweigen einen Moment. „2,40 m!“, ruft schließlich einer. Genau, die längste Pfeife des 8‘-Registers ist also 2,40 m. Natürlich sind nicht alle Pfeifen gleich lang, sonst gäbe es ja nur einen Ton. Es gilt die Faustregel: Bei Halbierung der Pfeifenlänge gibt es einen doppelt so hohen Ton. „Wie lang ist dann die Pfeife des 4‘-Registers?“ „1,20 m“, ertönt die Antwort. Und so rechnen sich die Schüler*innen noch einen kurzen Moment durch die Pfeifen. „Gemessen wird übrigens immer ab dem Schlitz.“, erklärt der Kantor und zeigt es an einer ausgebauten Orgelpfeife.
Wie man die Länge der Orgelpfeifen berechnet, ist natürlich nicht das Einzige, was die Schüler*innen an diesem Tag lernen. Sie erfahren auch, warum die Orgel als Königin der Instrumente bezeichnet wird. Auch das verrät das Register. Denn die Orgel vereint so einige Instrumente – Blockflöte, Trompete oder Posaune finden sich zum Beispiel in ihrer Klangwelt. Oder auch so altertümlich Instrumente wie das Dulzian kann die Orgel „imitieren“. Die Schüler*innen schmunzeln über den schnarrenden Ton. Zum Abschluss gab es noch ein Konzert, ein kurzer Abriss, vier Töne, aber die wohlbekannteste Tonfolge – Beethovens 1. Satz der 5. Sinfonie. Die Schüler*innen schauen fasziniert zu, wie die Finger des Kantors über die Tasten gleiten. Und dann können sie es doch nicht lassen und ein Schüler, traut sich noch einmal etwas zu spielen. Der Kantor schmunzelt und begleitet. So ist das Abschlusslied „Alle meine Entchen“ – auf der Königin der Instrumente ist selbst das Kinderlied beeindruckend. Fasziniert verlassen die Schüler*innen die Kirche. Es war wahrlich ein Entdeckertag für die Schüler*innen der 12. Klasse.
Text: EMA/ Julia Littmann
Bilder: Anna-Kristina Bauer für VISION KIRCHENMUSIK
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