“Warum sind denn da so viele Tasten?” Orgelentdeckertage zu Gast in Hankensbüttel
Hankensbüttel. „Zuhören!“, ruft Michael Jandek ins Geschnatter von 19 Drittklässler:innen. „Wir brauchen fünf Gruppen.“ Fünfte. Vierte. Dritte. Zweite. Erste. In – die – wei – te – Welt. Welt – te – wei – die – in. „Das singen wir jetzt mal!“ ‚Hänschen klein‘, fünfstimmig gesungen, ist der Auftakt zu gut anderthalb Stunden Orgelentdeckertag in der Hankensbütteler St. Pankratius-Kirche.
„Bei Hänschen klein finden Sie einen Teil der Tonleiter“, erklärt David Knorr, Musiklehrer der 3a an der Hankensbütteler Karl-Söhle-Grundschule. „In die weite Welt hinein…da haben Sie fünf Töne.“ In fünf Gruppen eingeteilt wie die Orgelpfeifen singen die Schüler:innen Hänschens Tonleiter. Sie merken: Die Stimme braucht Luft, um zu erklingen, wie die Orgel.
Chic sein beim Orgelspielen?
„Was sind das für große Röhren?“ „Warum sind da so viele Tasten?“ „Wie alt bist Du?“ „Ist das hier Deine Arbeit?“ „Verdienst Du damit Geld?“ „Wer ist Dein Chef?“ Die Fragen, die den Drittklässler:innen auf der Zunge brennen, sind ungezählt, alles in der Kirche saugen sie auf. Wie lang ist die Kirche? „30 Meter, mehr nicht“, sagt ein eher ruhiger Rotblonder. Und der Spiegel an der Orgel? Weshalb hängt der da? „Damit man sich angucken kann“, meint eines der Mädchen. „Zum Angucken, ob ich chic bin beim Orgel spielen?“, amüsiert sich Kirchenkreismusiker Michael Jandek. Die Mädchen kichern.
„Wann spielen wir denn Orgel?“ „Weihnachten!“ „Ja, wann noch?“ „Wenn wir singen in der Kirche.“ „Beim Gottesdienst also, genau. Und damit ich dann auch hier oben mitbekomme, was unten der Pastor oder die Pastorin macht…“ „Oder der Papst!“ „Nee, den haben wir ja nicht. Damit ich also sehe, was da unten passiert hinter meinem Rücken, dafür habe ich den Spiegel.“
Die Orgel selbst ausprobieren
Vier Orgeln hat die St. Pankratius-Kirche, die Gesamtorgel ist wie ein komplettes Orchester mit vielen Instrumenten. Man nennt sie die Königin der Instrumente. „Schön klingt sie aber nicht für denjenigen, der davor sitzt. Die Orgel ist dafür gebaut, dass sie unten in der Kirche jeder hört“, bringt der Kirchenkreiskantor uns bei. Die Orgel mit allen Sinnen begreifen, darum geht es ihm heute. Mit dem Verstand, mit dem Gehör, aber auch mit Händen und Füssen. Dafür dürfen die Besucher:innen nicht nur in die Tasten greifen, sondern sogar über die Pedalen laufen.
„Größere Orgeln bestehen aus verschiedenen Teilwerken, aus kleineren Orgeln nämlich.“ Viele Pfeifen und etliche Register gehören dazu. „Hier haben wir ein Rück-Positiv, das Hauptwerk, das Oberwerk und das Pedal“, doziert Jandek. Puh, ganz schön kompliziert hört sich das an. Aber immerhin haben wir zwei Hände und zwei Füße und die kommen auch alle zum Einsatz beim Orgelspielen.
„Man hat für jedes Werk ein Manual beziehungsweise die Pedaltasten.“ Tastenreihen also, die genauso angeordnet sind wie beim Klavier. „Die sind aber schmaler als am Klavier, weil man bei der Orgel freifüßig sitzt.“ Schwungvolle seitliche Bewegungen sind also nicht wie beim Klavier möglich, da fiele der Organist schlicht von der Bank. Was die Gemeinde zwar nicht sehen, sehr wohl aber hören würde. Und ganz besondere Schuhe tragen Menschen, die die Orgel spielen. „Schmale Tanzschuhe tragen wir, um die Fußpedalen sauber bedienen zu können und nicht zwei auf einmal zu erwischen“, erläutert Jandek.
Zehn Finger reichen nicht aus
Taktgefühl, Gleichgewicht und die Fähigkeit, Hände und Füße gut koordinieren zu können – das braucht es auf jeden Fall, um Orgel spielen zu können. Jandek kann nicht nur mit jedem Werk eine Stimme spielen, er kann sogar mit einem Werk vierstimmig spielen. „Dann kannst Du ja 16-stimmig spielen!“, weiß einer. Jandek lacht: „Nein, da gehen mir leider irgendwann die Finger aus.“ Aber zehnstimmige Akkorde sind schon möglich.
Orgel lernen kann, wer mit den Füssen an die Pedalen rankommt. „Okay, dann dauert das noch ein bißchen“, sagt Levke, die gern Orgelunterricht nehmen würde. „Guckt mal“, sagt Michael Jandek, „so groß bin ich nicht, ihr müsst nicht mehr lange wachsen.“ Bis dahin empfiehlt er: Lernt Klavier spielen! Wer ohne Vorkenntnisse an die Orgel kommt, lernt zunächst die Tastatur kennen und beginnt mit einfachsten einstimmigen Liedern. Wer schon Klavier spielt, darf gleich das Pedal benutzen. Das gesamte Orchester kommt viel später, dafür muss jeder und jede richtig viel üben.
Der Wille, Musik zu machen
Erst geht ein Raunen durch die Klasse, dann folgt ein leises Murren. Üben? Und auch noch jahrelang viel? „Hast Du Orgelspielen auch gelernt?“, wird Jandek gefragt. In der dritten Klasse hatte er den ersten Klavierunterricht, bereits in der siebten Klasse spielt er öffentlich Orgel. „Ich muss auch heute noch üben, auch Stücke, die ich schon vor Jahren gespielt habe, übe ich neu, wenn ich sie wieder hervorhole.“
Was entmutigend klingt, ist wie bei vielen anderen Dingen: Die Übung macht den Meister oder die Meisterin. Reine Genialität reicht nicht aus. „Es braucht schlicht den Willen, Musik zu machen. Mehr nicht“, so die Quintessenz des Kirchenkreismusikers.
Liam lauscht mit geschlossenen Augen
David Knorr kommt jedes Jahr mit seinen Drittklässler:innen zu den Orgelentdeckertagen. “Das hat sich bewährt, dass das toll ist!“. Und was genau war hier heute so toll? „Die Orgel, die macht schöne Töne“, schnurrt Emmi. „Mama spielt auch Orgel und ich weiß jetzt, wie das funktioniert“, schwärmt auch Levke. „Ich möchte das auch lernen, aber ich weiß nicht, ob das geht, weil ich doch schon Blockflöte lerne.“ Liam ist noch aufmerksamer dabei als die meisten anderen Kinder, mit geschlossen Augen lauscht er. „Die Orgel finde ich richtig gut, weil die so richtig schöne Musik raushauen kann!“
Text und Bilder: Frauke Josuweit, Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis
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Benjamin Simon-Hinkelmann
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